Die Qualen des unbequemen Anwalts
Spiegel Online
16 November 2010 – Sergej Magnitzki starb vor einem Jahr unter unerträglichen Schmerzen in einer Zelle: Die Behörden ließen ihn leiden, verweigerten ihm einen Arzt. Präsident Medwedew entließ zwar einige Beamte, doch verurteilt wurde niemand. Ein Film erinnert nun an das Schicksal des Anwalts.
Moskau/Hamburg – Sie hatten Sergej Magnitzki gesagt, er dürfe sich von einem Arzt behandeln lassen – aber erst, wenn er aus der Haft entlassen werde. Elf Monate war er da bereits im russischen Untersuchungsgefängnis “Matrosenstille”. Als er unter quälenden Schmerzen litt, riefen seine Wärter keinen Doktor. Sie bestellten den psychiatrischen Dienst, der ihn an sein Bett band. So starb Sergej Magnitzki vor genau einem Jahr, am 16. November 2009, an einer Entzündung von Gallenblase und Bauchspeicheldrüse.
Die nach seinem Tod eingesetzte Untersuchungskommission bekam zu hören, der Häftling habe wild um sich geschlagen und geschrien, man wolle ihn umbringen. Deshalb habe das Gefängnispersonal zu einer “leichten Fixierung” gegriffen. Die Hämatome an Magnitzkis Händen bemerkten noch die Trauergäste, als sie an dem aufgebahrten Leichnam vorbeizogen.
Die Kommission befand Ende 2009, Magnitzki sei “physischem und psychischem Druck” ausgesetzt worden, die Haftbedingungen “grausam und unmenschlich” gewesen. Auch nach fast einem Jahr Untersuchungshaft konnte ihm die vorgeworfene Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht nachgewiesen werden.
Sergej Magnitzki, 37, schüchternes Lächeln, zwei Kinder, war Anwalt. Er war ein kleines Rädchen in einer britisch-russischen Wirtschaftsfehde – und er wurde zum Opfer eines verworrenen Konflikts, in dem es um viel Geld geht und um windige Geschäfte. Magnitzkis Tod ist mittlerweile ein Politikum – und wirft die Frage auf, wie ernst Russland es mit Reformen meint.
Noch immer gelten die Haftanstalten des Landes als notorisch überfüllt. Zwischen Kaliningrad und Magadan verbüßen rund 900.000 Menschen ihre Strafen hinter Gittern. Viele verlassen die Gefängnisse nie: Im vergangenen Jahr starben 4150 Menschen im Strafvollzug, in Untersuchungshaft waren es 521 Menschen.
Einer war Magnitzki. In dem Film “Justice for Sergej” ist sein Lebens- und Leidensweg nachgezeichnet, seit Dienstag ist er im Internet zu sehen. Sieben Parlamente zeigen zudem die Dokumentation: Das Europäische Parlament, der Bundestag und der US-Kongress sind dabei, auch Abgeordnete in Großbritannien, Kanada und Estland können den Streifen anschauen.
“Wir dürfen nicht lockerlassen”, sagt die FDP-Abgeordnete Marina Schuster, die sich für die Filmvorführung in Berlin eingesetzt hat. Zwar sind nach Magnitzkis Tod einige Reformen im Strafvollzug durchgesetzt und hochrangige Vollzugsbeamte entlassen worden. Aber es habe kein Strafverfahren gegeben, sagt Schuster: “Der Fall Magnitzki ist symptomatisch für den Zustand des russischen Justizsystems.”
Kritiker leiden, Mörder bleiben straflos
Er wirft auch einen Schatten auf die Amtszeit des russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew. Der Kremlchef ist selbst promovierter Jurist, er will eine Modernisierung des Riesenreiches und eine vorsichtige Liberalisierung wagen. In einer Brandrede hatte Medwedew vor zwei Jahren gefordert, es müsse endlich Schluss sein mit dem “Rechts-Nihilismus” in Russland.
Auch als der Reporter Oleg Kaschin Anfang November brutal verprügelt wurde, versprach Medwedew, Journalisten künftig besser zu schützen und die Aufklärung des versuchten Mordes voranzutreiben. Doch das könnte bloß ein Versprechen bleiben: Weder die Mörder der Journalistin Anna Politkowskaja noch der Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa wurden gefasst.
Die heutige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat in der Vergangenheit mehrfach energische Reformen in Russlands Justizsystem gefordert. Der Fall Magnitzki fiel ihr bereits auf, als der Anwalt noch lebte und in Untersuchungshaft saß. Als Berichterstatterin des Europarates schrieb sie mehrmals an den russischen Generalstaatsanwalt – der jedoch erklärte ihr nie, warum Magnitzki überhaupt inhaftiert wurde. Eine “umfassende Untersuchung dieser bezeichnenden Affäre” sei unerlässlich, forderte sie im August 2009.
Schillernde Finanzwelt der Neunziger
Doch ob die verworrene Affäre jemals komplett aufgeklärt wird, ist fraglich. Magnitzki galt als enger Vertrauter des Bankers William Browder. In Moskauer Wirtschaftskreisen stieg dieser Ende der neunziger Jahre zum Star auf, mit seinem Hermitage Fonds war er damals der größte ausländische Investor.
Heute jedoch ist Browders russisches Imperium zerschlagen. Die Behörden warfen ihm vor, in geschäftlichen Dingen wenig zimperlich gewesen zu sein – und in Russlands Steppenrepublik Kalmykien Briefkastenfirmen gegründet zu haben. Deren angeblich einziger Zweck: Steuerhinterziehung. Sein Anwalt Magnitzki bestritt dies stets vehement. Er erhob seinerseits Vorwürfe: Gangster sollen sich der Hermitage-Firmen bemächtigt haben, Beamte sollen milliardenschweren Steuerbetrug begangen haben. Magnitzki wurde festgenommen.
“Sein Tod soll nicht umsonst gewesen sein”
Vielleicht wären die anschließenden Qualen des Juristen weltweit nicht so beachtet worden, wenn sich mit Browder nicht ein mächtiger britischer Investor für die Verbreitung des nun produzierten Dokumentarfilms eingesetzt hätte. “Sein Tod soll nicht umsonst gewesen sein”, sagt Browder. Es gehe ihm nicht um Rache, sondern um Gerechtigkeit.
Die Dokumentation “Justice for Sergej”, die nun in den Parlamenten gezeigt wird, haben die niederländischen Filmemacher Hans Hermans und Martin Maat gedreht – unabhängig von Browder, darauf bestehen sie. Den Streifen hätten sie selbst finanziert.
“Uns hat Sergejs Geschichte sehr berührt. Trotz seiner Qualen hat er seine Aussagen nie zurückgezogen. Das machte ihn so besonders”, sagt Hermans. Er hoffe, dass die Menschen nach dem Film “traurig und wütend sind, aber auch inspiriert von diesem Mann”. Erst vor wenigen Tagen wurde Magnitzki posthum von Transparency International für seinen “Glauben an Rechtsstaat und Anstand” ausgezeichnet.
Inzwischen löste der Fall sogar diplomatische Verwicklungen aus: US-Abgeordnete wollen den Kreml mit dem “Justice for Sergej Magnitzki Act 2010” dazu bringen, die Umstände des Todes genauer zu untersuchen – und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. 60 russischen Beamten soll deshalb die Einreise in die USA verwehrt werden. Ähnliche “schwarze Listen” sind in europäischen Ländern im Gespräch.
Die Affäre belastet die sonst guten Beziehungen zwischen den Präsidenten Medwedew und Barack Obama. Die US-Initiative wecke Erinnerungen an “Zeiten des Kalten Krieges” und “überschreite die Grenzen elementarer Normen des Anstands”, schäumte das Außenministerium in Moskau.
Russlands Regierung hat unterdessen jene Beamten belobigt, die Magnitzki hinter Gitter brachten. Sie dürfen sich jetzt mit dem Titel “bester Ermittler” schmücken, und “geehrte Amtsperson des Innenministeriums”. unshaven girl срочный займ на карту онлайн https://zp-pdl.com/fast-and-easy-payday-loans-online.php https://zp-pdl.com/emergency-payday-loans.php онлайн займ
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